Dr. Sylvia Bartnitzky im Interview
Wenn jemand viel Erfahrung auf dem Gebiet des unerfüllten Kinderwunsches hat, dann ist es Dr. Sylvia Bartnitzky. Die Gynäkologin arbeitet seit Jahren mit dem Schwerpunkt auf Reproduktionsmedizin und betreut Paare und Single-Frauen auf ihrer Kinderwunsch-Reise. Im Interview mit Fertilly spricht sie über Perfektionismus und gesellschaftliche Scheuklappen, über notwendige frühzeitige Aufklärung und warum wir uns nicht auf Glaubenssätze verlassen sollten, wenn es um unseren Kinderwunsch geht.

Frau Dr. Bartnitzky, Sie sind Gynäkologin und Reproduktionsmedizinerin. Wie würden Sie den Schwerpunkt Ihrer Arbeit beschreiben? Wer kommt zu Ihnen?
“Am Anfang habe ich gedacht, der Schwerpunkt meiner Arbeit sei, alle Paare schwanger zu bekommen. Mit der Zeit habe ich gelernt, dass, wie sehr sich die Paare, das Labor und ich uns auch anstrengen, ich nicht allen zum Erfolg verhelfen kann.
Mittlerweile versuche ich, die Paare auf diesem schweren Weg zu begleiten und zu gucken, dass sie so gut wie möglich durch eine solche Behandlung kommen und schwanger werden.
Zu mir kommen alle, die sich ein Kind wünschen, aber alleine nicht weiterkommen. Aber auch Frauen, die ihre Zukunft selbst in die Hand nehmen und nicht mehr darauf warten wollen, bis sie den „richtigen“ Partner gefunden haben. Schließlich gibt es noch die Gruppe der jungen Frauen und zunehmend mehr junge Paare, die „vorsorgen“ wollen und Eizellen einfrieren lassen.”
Fast jedes zehnte Paar in Deutschland hat Schwierigkeiten, ein Kind zu bekommen. Das ist eine große Zahl. Und dann gibt es noch die Solomütter, die sich ebenfalls ein Kind wünschen …
“Ja, und ich fürchte durch Faktoren wie Umweltgifte, die lange nicht berücksichtigt wurden, und gesellschaftliche Faktoren wird die Zahl noch größer werden.
Die Gesellschaft hat sich stark verändert. Das klassische Familienbild löst sich auf, was ich persönlich gut finde, aber die Aufklärung zum Thema Fertilität und ihrer Endlichkeit steckt noch in den Kinderschuhen.
Frauen, die auf die 40 zugehen, bleiben ohne Partner, weil diese noch nicht bereit für eine Familiengründung sind. Alle fühlen sich ewig jung, aber der Eierstock spielt da leider nicht mit.”
In Kürze eröffnen Sie in Düsseldorf Ihr eigenes Kinderwunschzentrum. Was dürfen Ihre Patientinnen und Patienten erwarten?
“Zusammen mit meinem Kollegen Dr. Frank Bender möchte ich mit unserem Zentrum einen Ort des Wohlfühlens schaffen, wo wir auf die Bedürfnisse unserer Patientinnen und Patienten eingehen und ein Ohr für die Sorgen haben können. Wir wissen, dass der Weg aus vielerlei Gründen schwer für unsere Patientinnen und Patienten ist und wollen diesen so angenehm wie möglich gestalten. Wir wollen unsere Patientinnen und Patienten gut informieren und ihnen eine Behandlung auf einem hohen medizinischen Niveau anbieten.
Wir haben ein breites Portfolio entwickelt, das auch die natürlichen Aspekte im Rahmen einer Kinderwunschbehandlung gewichtet. Nicht zuletzt haben wir ein tolles Team aus Mitarbeitern und Kooperationspartnern zusammengestellt, das bereits sehr motiviert am Start steht.”
Warum ist es immer noch schwierig, offen über dieses Thema zu sprechen? Wo liegt Ihrer Meinung nach das Tabu?
“Ich denke, dass wir alle mit Glaubenssätzen wie „… in unserer Familie werden alle schnell schwanger …“ und „… pass bloß auf, dass du nicht schwanger wirst …“ groß geworden sind. Schwanger werden ist „naturgegeben“. Und auf einmal stellen wir fest, dass wir nicht schwanger werden, und darauf hat uns niemand vorbereitet. Die meisten leben in ihrem Perfektionismus, Beruf passt, Haus ist schon gebaut, Traumpartner da, aber ein Kind kann man nicht organisieren oder kaufen, das ist ein Geschenk und liegt nur bedingt in unserer Macht.
Die Menschen schämen sich teilweise, das „Einfachste“ von der Welt nicht hinzubekommen. Gerade wir Frauen suchen nach dem Grund und fragen uns ständig, was wir falsch gemacht haben. Und als Mann sind Sie immer noch ein „toller Hecht“, wenn die Damen schnell schwanger werden, aber Sie können wohl kaum im Fitnessstudio unter der Dusche davon berichten, dass das Spermiogramm schlecht ist.”
Schauen wir uns die Gesellschaft und die Politik an: Was wäre Ihrer Meinung nach notwendig, um dem Thema „Unerfüllter Kinderwunsch“ den Raum zu geben, der ihm zusteht? Wo muss die Politik jetzt aktiv werden? Bei der Eizellspende, die in Deutschland nach wie vor nicht erlaubt ist?
“Die Politik wird meiner Meinung nach von der Gesellschaft und dem Stand der medizinischen Möglichkeiten überrollt und ist überfordert oder scheut eine sachliche öffentliche Diskussion. Aber die Menschen sind nicht dumm. Wenn Sie das Thema Eizellspende nehmen, scheuen viele Menschen weder Kosten noch Mühen und gehen ins Ausland, obwohl das Knowhow hier wäre.
Polkörperdiagnostik (PKD) – da arbeitet ein Teil der öffentlichen Meinungsmache mit Ängsten und Schlagwörtern wie „Designerbaby“. In Spanien wird bei jeder Frau über 40 eine PKD/PID (Präimplantationsdiagnostik) gemacht, weil wir wissen, dass es nur noch wenig gesunde Embryonen in diesem Alter gibt. So könnten wir uns Frauen eine Fehlgeburt ersparen oder viele Versuche, die nicht hätten sein müssen mit den dazugehörigen emotionalen Talfahrten.
Social Freezing — hier unterstellt die Gesellschaft den Frauen, nur ihre Karriere im Sinn zu haben und egoistisch zu handeln. In Israel wird es als Vorsorge von den Krankenkassen übernommen. Denn auch wirtschaftlich gesehen ist es günstiger, junge Eizellen einzufrieren und damit später viel höhere Schwangerschaftsraten, weniger Fehlgeburten und weniger Versuche einer künstlichen Befruchtung zu haben. Und nebenbei könnten wir viel Leid mindern.
Ich kann nur allen raten, sich einmal klarzumachen, dass sich keiner meiner Patientinnen je gewünscht hat, meine Dienste in Anspruch zu nehmen oder diesen schweren Weg gehen zu müssen.”
Wo könnte man ansetzen für mehr Aufklärung? In der Schule? Haben Sie Ideen?
“Meiner Meinung nach müsste schon der Biologieunterricht in der Schule aktueller sein und schon darauf hinweisen, dass Fruchtbarkeit endlich ist und durch Lifestylefaktoren im positiven wie negativen Sinn beeinflusst werden kann. Ich bin in Schulen gegangen und habe den Unterricht ergänzt. Aber der Lehrplan ist viel zu starr und bietet selten Raum für solche Extrastunden.
Die Gesellschaft sollte faktenbasiert aufgeklärt werden. Es gibt durch die sozialen Netzwerke so viele Möglichkeiten, sich zu informieren, aber eben auch viel „fake news“, und es ist sehr schwer zu erkennen, wie gut das Infomaterial ist. Frauenärzte müssten mehr Zeit für ihre Patientinnen und Patienten haben und vermehrt auf die Möglichkeiten der Prüfung der individuellen Fruchtbarkeit hinweisen. Allerdings verdrängen viele Menschen auch sehr gut die Realität und wollen Warnungen und Hinweise auch nicht hören. Und wenn wir lesen, dass prominente Persönlichkeiten über 40 noch Eltern werden, dann steht da nicht, dass es eine Eizellspende war.”
Sie haben gemeinsam mit dem Journalisten Jochen Dominicus einen eigenen Podcast mit dem Titel „Sprung im Ei – Der Kinderwunschpodcast“ ins Leben gerufen. Was waren Ihre Beweggründe, sich auch privat mit dem Thema auseinanderzusetzen?
“Es arbeitet schon seit Jahren in mir, dass meine Patientinnen den weiblichen Körper, den Zyklus, die Beeinflussung von Lifestylefaktoren, usw. nicht kennen oder eher viel Geld für irgendwelche dubiosen Tabletten und Tees ausgeben, als sich in einem Kinderwunschzentrum vorzustellen und beraten zu lassen. Die Botschaft unseres Podcasts soll eine aufklärende sein. Welche Möglichkeiten gibt es? Was können wir daraus machen? Wie sehen die Zusammenhänge im Körper aus? Wir wollen keine Meinung vorgeben, denn das Thema ist viel zu persönlich. Es gibt Menschen, für die kommt eine künstliche Befruchtung nicht in Frage, was völlig in Ordnung ist. Aber entscheidend ist, warum haben sich die Menschen so entschieden? Handelt es sich wirklich um eine informierte Entscheidung, oder haben sie nur irgendwas gelesen oder gehört, das ihnen Angst macht?
Wir wollen in einem verständlichen Deutsch komplexe Zusammenhänge erklären, Angst vor dem Thema Kinderwunschbehandlung nehmen und, was ganz wichtig ist, zeigen, dass man nicht allein ist.”
Wie ist das Format entstanden?
“Ich bin der Ansicht, dass der Bereich Kinderwunsch und die Aufklärung darüber viel Material zu bieten hat und für einige Menschen wichtig sein könnte. Mir scheint, dass das Medium Podcast immer mehr Zuwendung bekommt und dann konnte ich Jochen für die Idee gewinnen. Das Schöne ist, dass er keine Ahnung zu dem Thema hat und mich dann immer erdet, wenn es zu kompliziert wird. Seine Frage stellt er aus der Sicht eines Laien, wobei mir wiederum klar wird, welche Verständnislücken es geben könnte.”
Warum ist Ihnen persönlich das Thema Aufklärung so wichtig?
“Weil ich ein Mensch bin, der daran glaubt, dass wir es alle verdient haben, eine Entscheidung bestmöglich zu treffen und die damit verbundenen Konsequenzen durchzuspielen. Dies gelingt aber nicht mit Begleitern wie Halbwissen und Angst oder falschen Glaubenssätzen. Und wenn ich auch nur wenige erreiche, denen klar wird, dass die Zeit drängt und die Fruchtbarkeit endlich ist oder jemandem die Angst vor einer Behandlung nehmen konnte, dann habe ich schon gewonnen.”
Über Dr. Sylvia Bartnitzky:
Sylvia Bartnitzky ist 48 Jahre, Gynäkologin und hat ihren Schwerpunkt auf gynäkologischer Endokrinologie und Reproduktionsmedizin. Seit 15 Jahren arbeitet sie im Kinderwunschbereich.
Gerade verwirklicht sie ihre Träume und macht den Schritt in die Selbstständigkeit, mit einem eigenen Kinderwunschzentrum in Düsseldorf. Sie betreibt gemeinsam mit dem Journalisten Jochen Dominicus den Podcast Sprung im Ei. Die Ärztin ist ihrer Familie, besonders ihrem Mann und ihren drei Kindern, sehr dankbar, dass diese sie durch diese anstrengend schöne Zeit begleiten.
Über Fertilly
Wir bei Fertilly haben es uns zur Aufgabe gemacht, Paare (homo- und heterosexuell) und Singles auf dem Weg zur Erfüllung ihres Kinderwunsches zu begleiten. Dabei ist es uns wichtig Transparenz im Bereich der Angebote zum Thema Kinderwunsch zu schaffen, Informationen und Wissen zu den Themen Schwangerschaft und Fruchtbarkeit zu vermitteln und Dir und Euch dabei zu helfen, die am besten passende Kinderwunschklinik zu finden. Durch Kooperationen mit erstklassigen Kinderwunschzentren in Deutschland und im Ausland werden Anfragen über Fertilly bevorzugt behandelt. Somit umgehen unsere Patientinnen und Patienten die sonst meist langen Wartezeiten und kommen schneller an ihr Ziel.
Du möchtest Dich weiter über Kinderwunschzentren, Erfolgsraten und Preise informieren, melde Dich gerne über diesen Fragebogen bei uns. Wir beraten Dich kostenlos und unverbindlich.
Wie läuft die Beratung ab?
-
Beantworte uns im Online Formular erste Fragen um einen Termin zu buchen. So können wir im Gespräch besser auf Deine Bedürfnisse eingehen.
-
Wir finden den besten Ansprechpartner für Deinen konkreten Fall. Plane für die Beratung 20 Minuten Zeit ein.
-
Wir stellen Dir das für Dich passende Kinderwunschzentrum aus unserem Netzwerk vor, vereinbaren einen Termin und begleiten Dich bis zum erfüllten Kinderwunsch.